FrOSCon 2024

FrOSCon 2024

Letztes Wochenende fand am 17/18.08.2024 die 19. FrOSCon-Konferenz als Hybrid-Event an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Sankt Augustin statt. Das Programm bestand erneut aus vielen Vorträgen und Workshops, zahlreiche Stände und das obligatorische Social Event am Samstagabend luden zum Austausch ein. Ca. 1.500 Teilnehmende nahmen am Event teil - 200 mehr als letztes Jahr.

Vorträge

Das Vortragsprogramm war mit 83 Workshops und Vorträgen wieder umfangreich – und das wie immer kostenlos. Für mich gab es an beiden Tagen wieder einige spannende Vorträge – deutlich spannender als die letzten Jahre zuvor. Das Backlog der Vorträge, die ich mir im Nachgang anschauen will, ist ebenfalls noch nicht ganz abgearbeitet. Wie gewohnt wurden die einzelnen Sessions vom Video-Team des Chaos Computer Clubs (C3VOC) live gestreamt und kurzfristig online zugänglich gemacht (via eigenem Spiegelserver).

In einem der ersten Vorträge, Open Source-Lizenzen, gab Udo Meisen einen Überblick gängiger Open Source-Lizenzen sowie deren juristische Implikationen - ein Thema, welches ich mir schon immer mal näher anschauen wollte. Durch die Lizenzänderungen einiger großer Projekte in letzter Zeit ist das Thema präsenter denn je. Insbesondere die Folien zu den verschiedenen GPL-Versionen sowie deren (In-)Kompatibilitäten zu anderen Lizenzen fand ich spannend.

Ebenfalls spannend fand ich den Vortrag 20 Jahre OpenStreetMap (📽️) von Falk Zscheile. Das Projekt stammt aus einer Zeit, in der Luftbilder und Geodaten nicht allgemein zugänglich waren, sondern kostenpflichtig über Landesvermessungsämter bezogen werden mussten. Als Community-Projekt konzipiert, fanden sich schnell Freiwillige, die bei der Kartografierung unterstützten - anfangs noch mit externen GPS-Empfängern, Diktiergeräten oder Stift und Papier.

Inzwischen gibt es mehr als 12 Millionen Accounts, von welchen monatlich ca. 50.000 aktive Änderungen vornehmen. Dabei sieht sich das Projekt auch mit gezielten Falschinformationen konfrontiert - beispielsweise um politische Konflikte auszutragen (Verschieben von Grenzen oder Umbennennen von Straßen) oder Echtdaten-Spiele zu manipulieren (Hinzufügen nicht existierender Strände, um seltene Pokemon zu fangen). OpenStreetMap bildet auch die Basis für weitere spezialisierte Kartenprojekte - beispielsweise:

Jutta Horstmann hielt eine der Keynotes, Running the internet, under-funded and under-staffed? (📽️). In dieser thematisierte sie die größtenteils desolaten Förderstrukturen unserer digitalen Gesellschaft. Anhand von Projekten, wie OpenSSL, GnuPG und Log4J demonstrierte sie, welche verheerenden Folgen fehlende langfristige Wartung und Finanzierung haben können. Auch benannte sie Förderprogramme und -fonds, die diese Lage bereits verbessern:

Abschließend stellte Horstmann zahlreiche Wege vor, um ein Open Source-Projekt langfristig zu finanzieren und zu warten.

Mit The Government and the Art of Infrastructure Maintenance (📽️) gab es einen Vortrag von Mirko Swillus, der für den erwähnten Sovereign Tech Fund tätig ist.

Hinweis

Kürzlich wurde ein Special über den Sovereign Tech Fund im FOCUS ON: Linux-Podcast veröffentlicht. Dieses beinhaltet neben zahlreichen Informationen über die verschiedenen Förderprogramme auch einen Erfahrungsbericht des curl-Projekts.

Nicht weniger interessiert habe ich den Vortag Jeder Meter zählt (📽️) von Jens Kühnel verfolgt. Dieser arbeitet als IT-Administrator bei der deutschen Börse und skizzierte Teile seines Alltags. Eine spannende Erkenntnis war, dass - wie im Titel angegeben - sprichwörtlich jeder Meter bei Kabellängen zählt. Pro Meter Länge muss mit ca. 2 ns Latenz gerechnet werden - Kabellängen werden daher kurz und einheitlich gehalten, um Fairness verschiedener Parteien beim Aktienhandel sicherzustellen.

NTP ist für die Einsatzzwecke der Börse zu ungenau und wurde daher durch PTP (Precision Time Protocol) ersetzt. Zu den technischen Anpassungen der Infrastruktur zählt neben der Deaktivierung gängiger Stromsparmethoden (z.B. ACPI C-States) auch der Einsatz von tuned. Echtzeitkernel kommen übrigens nicht zum Einsatz, was auf zu große Implikationen auf die verwendeten Anwendungen zurückzuführen ist. Auch hat sich Infiniband als zu aufwändig in der Wartung erwiesen und wurde durch Ethernet ersetzt. Wartungen sind ausschließlich und ausnahmslos am Wochenende möglich.

Im Vortrag Moderne Linux Kommandozeilenwerkzeuge - Edition "Eiche RUSTikal" (📽️) demonstrierte Martin Leyrer mehr als 20 Kommandozeilen-Werkzeuge, die in der Programmiersprache Rust entwickelt wurden. Viele der vorgestellten Tools verstehen sich als Reimplementation altbekannter Werkzeuge und ergänzen diese um nützliche Funktionen und verbesserte Ausgaben. Der Vortrag war interaktiv - gute Fragen wurden mit Mannerschnitten belohnt.

Eines meiner Highlights war der Vortrag Next-Gen Desktops: Ublue-OS immutable desktop (📽️) von Christoph Stoettner. In diesem schilderte er seine Erfahrungen mit der Linux-Distribution Bluefin. Diese basiert auf Fedora Silverblue, unterscheidet sich aber durch bootbare Container davon. Dadurch verfolgt das Projekt einen cloud-native Ansatz, der es ermöglicht bootfähige System-Abbilder automatisiert durch CI/CD-Pipelines erstellen zu lassen - beispielsweise mit BlueBuild recipes. Anhand seines Einsatzzweckes erklärte Stoettner das benötigte Tooling und weitere Werkzeuge, wie z.B. yafti, welches Flatpak-Anwendungen beim ersten Start automatisiert installiert. Gegenüber konventionellen Desktops ergibt sich ein etwas höherer Speicherbedarf für Image-Snapshots - ein Effekt, der auch NixOS-Anwender:innen bekannt vorkommen dürfte. Dafür können ältere Stände des Betriebssystems jederzeit gebootet werden - ideal für fehlgeschlagene Updates.

Wie jedes Jahr war auch diesmal wieder ein State of the Union: Das Open-Source Jahr 2024 (📽️)-Vortrag von Michael Kleinhenz, Oliver Zendel und Nils Magnus Teil des Programms. Das Trio beleuchtete Jubiläen, News und Kuriositäten des Jahres aus Open Source-Sicht.

Der Vortrag NeoVim - jenseits von q! (📽️) von Michael Weimann war sehr lehrreich. Als Ergänzung zum vorher angebotenen Workshop (auch als Git-Repository verfügbar) umfasste dieser neben der UNIX-Texteditorgeschichte vor allem technische Details rund um neovim. Als vim-Fork gestartet bietet neovim zahlreiche Erneuerungen, wie z.B. Unterstützung für das Language Server Protocol, welches den Editor um programmiersprachen-spezifische Syntax- und Semantik-Funktionen erweitern kann. Plugins wurden anhand praktischer Beispiele demonstriert.

Sehr unterhaltsam war auch der Vortrag Enterprise IT: Ein agiler Realitätsabgleich (📽️) von Martin Leyrer und Christoph Stoettner. Beide arbeiten schon seit vielen Jahren in vermeintlichen Enterprise IT-Projekten und hatten somit zahlreiche teils skurrile, schockierende aber in jedem Fall amüsante Geschichten parat. Neben technischen Schulden waren vor allen Dingen deutliche Missstände beim Personal-Management Teil der Erzählungen.

Ich selbst durfte mit einem Vortrag über ThinkPads (📽️) auch zum Programm beitragen. Dieser drehte sich um die Geschichte und Nerdkultur der Geräte. Neben einer Zusammenfassung der IBM-Firmengeschichte wurde vor allem die belebte Entwicklungsgeschichte der zahlreichen Modellserien beleuchtet. Insbesondere die teilweise sehr kuriosen Geräte (Laptops mit integriertem Drucker, zweitem Bildschirm oder ausklappbarer Tastatur) und Designs waren es wert, einmal näher betrachtet zu werden. Eingestreute Trivia-Facts ergänzten gezeigte Fotos der Geräte.

Das Interesse an diesem Vortrag war groß, was ich nicht erwartet hätte. Der Raum war in großen Teilen belegt und auch nach dem Talk gab es viel Interaktion vor Ort und im Internet - vielen Dank dafür! 🤩

Das Social Event wurde dieses Jahr aufgrund von schlechter Wettervorhersagen proaktiv nach drinnen verlegt - auch, wenn der große Regen dann doch ausblieb. Die Teilnehmenden verteilten sich auf zwei Stockwerke, die Bar war im oberen Stockwerk aufgebaut. Dadurch haben sich mehr Gruppen gebildet als sonst - die Atmosphäre war dennoch angenehm und es ergaben sich lockere Gespräche.

Stände

Dieses Jahr gab es mehr als 30 Stände von Projekten, Vereinen und Firmen. In 9 Projekträumen wurden spezielle Workshops und Präsentationen angeboten - z.B. über Linux on Mobile, WordPress oder RIOT OS. Dieses Jahr habe ich es zeitlich versäumt, alle zu besuchen - gegenüber den letzten Jahren war ich diesmal stark mit Vorträgen verplant.

Ein Stand, den ich hingegen immer besuche, ist der von TUXEDO Computers. Ich finde es immer interessant, mir die neuen Produkte anzusehen. Bei TUXEDO hat sich in den letzten Jahren viel getan - und so gab es auch dieses Jahr wieder neue Geräte.

TUXEDO Sirius 16 Gen 2

So wurde z.B. das Sirius 16 Gen 2 ausgestellt - ein 16"-Gamingnotebook mit bis zu 96 GB RAM. Neben USB 4.0 gibt es auch ein WQHD-Display mit 165 Hz. Der 80 Wh-Akku liefert bis zu 6 Stunden Akkulaufzeit - was vor allem der AMD Ryzen 7 8845HS-CPU und AMD Radeon RX 7600M XT-GPU geschuldet sein dürfte. Die Tastatur ist selbstverständlich RGB-beleuchtet.

Das aktuelle 9. Generation des InfinityBook Pro 14 konnte ebenfalls getestet werden. Neben einer Intel-Variante gibt es auch eine effizientere AMD-Version - beide mit leistungsstarken H- bzw. HS-CPUs. Hier kommt ebenfalls ein 80 Wh-Akku zum Einsatz, der bis zu 10 (Intel) bzw. 13 Stunden (AMD) Laufzeit bietet. Der RAM kann auch auf ein Maximum von 96 GB konfiguriert werden. Das Gehäuse fühlt sich sehr hochwertig an und ist inzwischen aus Vollaluminium, als einzige Display-Option wird ein 3K-Bildschirm angeboten.

Besonders spannend fand ich ein Gespräch mit einem Mitarbeiter bzgl. des in Entwicklung befindlichen ARM-Geräts. TUXEDO hat vor Kurzem die Arbeit an einem ARM-Prototypen angekündigt. Wie auch bei Geräten der Konkurrenz (Lenovo, DELL, Microsoft) basiert das Gerät auf dem Qualcomm Snapdragon X Elite-SoC. Da ein guter Linux-Support die höchste Priorität für TUXEDO hat, setzt man große Hoffnung auf das Projekt. Ich bin sehr gespannt, welches News wir zu diesem Thema in den nächsten Monaten lesen werden - es wäre sehr begrüßenswert, wenn der erste Hersteller tatsächlich brauchbaren Linux-Support für das SoC anbietet. Bisherige Konkurrenzgeräte kommen offiziell ohne Linux-Support - die Liste an noch zu implementierenden Treibern ist lang.

Fazit

Mir hat die Konferenz wie jedes Jahr viel Spaß gemacht. Durch die deutlich größeren Besucher:innenzahlen waren mehr Gespräche möglich – so habe ich viel neue und alte Gesicher gesehen. Das Social Event hat trotz mäßigem Wetter und Indoor-Aufbau Spaß gemacht.

Ich freue mich schon auf die 20.FrOSCon, die vermutlich etwas ganz besonderes sein wird. 🙂

Übersetzungen: