Windows 8 - Zukunftsvision oder zum Scheitern verurteilt?

Genau diese Frage habe ich mir einige Tage lang gestellt - und ich bin zu keinem nennenswerten Ergebnis gekommen.

Vorwort

Windows 8 sorgte schon vor der Veröffentlichung am vergangenen 15.08.2012 für massenweise (berechtigte?) Kritik und regen Meinungsaustausch. Mit dem neuen Betriebssystem lenkt Microsoft immer weiter in eine komplett neue Richtung, die insbesondere den "alten Hasen" sauer aufstößt. Während man seit 1995 (Windows 95) im Prinzip immer vom selben grafischen Aufbau des Betriebssystems begrüßt wurde, hat man bei Windows 8 erstmal massive Orientierungsschwierigkeiten. Ähnlich ergang es uns aber auch beim Umstieg von der herkömmlichen Menü- und Symbolleisten-Optik zur neuen Ribbon-Oberfläche. Erstmal mit Office 2007 erprobt, hagelte es auch hier massive Kritik - seit Office 2010 verstummen diese nörgelnden Stimmen aber zunehmend.

Hierzu zähle ich mich auch - Windows 7 wurde von mir so lange boykottiert, bis es aus technischer Sicht schlichtweg notwendig war auf Windows 7 zu setzen. Mit einem neuen Rechner stieg auch ich letztendlich auf Windows 7 um. Nach einiger Eingewöhnungszeit hatte ich mich an die neuen "Gepflogenheiten" des Betriebssystems gewöhnt. Mittlerweile muss ich sagen, dass die ehemals neuen Design-Prinzipien, wie beispielsweise Aero oder die Ribbon-Oberfläche, mich keineswegs in der Produktivität behindern - eher ist das Gegenteil der Fall. Bei Windows 8 wird vermutlich ein ähnlicher Trend in den nächsten Jahren zu sehen sein - zuerst ist alles, was neu ist, "böse" und "schlecht", bis man sich ernsthaft mit den neuen Errungenschaften auseinandersetzt und vielleicht doch noch einen Bonus für sich entdecken kann.

Installation und erste Eindrücke

Nachdem Microsoft die Tage Windows 8 freigegeben hatte, entschied ich mich dazu, mir das System auch mal näher anzuschauen. Da ich keine "echte" Hardware hierfür über habe, dachte ich hier gleich an eine virtuelle Testumgebung. Windows 8 in eine virtuelle Maschine zu verfrachten ist allerdings schwieriger, als ich dachte. In der VMware Workstation 7 ist das CD-Speicherabbild nicht einmal zum Booten zu bekommen. Windows 8 benötigt eine virtuelle Hardware in der Version 8 oder höher. Auf meinem ESXi 5.0 wollte das System nach der Installation nicht booten - trotz der Verwendung der für Windows 8 empfohlenen Einstellungen. Auf Twitter ist allerdings auch zu lesen, dass die Installation unter ESXi 5.0 möglich ist - scheint bisher keine offiziell supportete Umgebung zu sein. Nach zahlreichen Versuchen mit exakt der gleichen Vorgehensweise klappte es irgendwann einmal (unbedingt Windows 2008 R2 x64 als Template auswählen!). Bei Oracle's VirtualBox sieht das anders aus - die Installation glückte mir hier und auch ein Booten nach der Installation war möglich.

Nach rund 20 Minuten wartete der neue Desktop darauf von mir bedient zu werden. Sofern man noch kein Windows Phone in der Hand hatte und die Kachel-Optik kennt (das Wort "Metro" ist ja jetzt offiziell verboten), ist man nach den Dialogen des First-Boot-Agents erstmal aufgeschmissen.

Es dauert einige Zeit, bis man sich daran gewöhnt hat, dass es kein Startmenü mehr gibt. Ich habe keine Möglichkeit gefunden, meine wichtigsten Anwendungen als Kacheln hinzuzufügen. Vielmehr merkt sich Windows die meist verwendeten Anwendungen und zeigt diese im Menü an. Alternativ kann man durch einfaches Eintippen des Programmnamens (oder eines Teils davon) die Suchfunktion des Menüs starten - wie auch im Startmenü von Windows 7.

Die Bildschirmecken von Windows 8 übernehmen einige Funktionen - so wird beispielsweise eine Liste der zuletzt gestarteten "Apps" (nicht mit herkömmlichen Anwendungen verwechseln!) angezeigt, sofern sich der Cursor in der Ecke oben links befindet. Wird die rechte Maustaste gedrückt, während sich der Cursor im unteren Bereich des Bildschirms befindet, können Aktionen für ausgewählte Apps ausgeführt werden - so kann man z. B. Apps an die Startleiste pinnen, sie mit Administrator-Rechten ausführen, etc. Dieses Menü entspricht weitesgehend dem Kontextmenü von Desktop-Icons. Wird der Cursor in die Ecke rechts oben bewegt, wird ein Einstellungsmenü aufgerufen - hier kann man z. B. den Ton oder andere Benachrichtigungen deaktivieren, die Systemsteuerung aufrufen oder den Rechner ausschalten.

Ich hatte die Gelegenheit Windows 8 auf einem Rechner mit angeschlossenem Touch-Screen zu testen und muss sagen, dass erst mit einem solchen Windows 8 wirklich intuitiv(er) benutzbar ist. Bleibt nur die Frage, ob es sich lohnt wegen einer neuen Betriebssystem-Version einen neuen Bildschirm anzuschaffen. 😉

Bilder-Galerie

Anbei einige Screenshots von signifikanten Änderungen unter Windows 8.

Weitere Eindrücke

Folgende Dinge sind mir darüber hinaus aufgefallen:

PositivNeutralNegativ
Klares und ansprechendes Ton- und SchriftbildGewöhnungsbedürftige Kacheloptik mit zahlreichen "netten" WidgetsVernetzungsphilosophie
Schnelle BootzeitenFehlendes StartmenüVollbild-Konfigurationsdialoge sind unübersichtlich, paralleles Arbeiten unmöglich
niedrigere RAM-AuslastungSmartphone- und Tablet-Haptik bei der Bedienung (Apps, Ecken-Prinzip, Sliding,...)
Neuer Taskmanager mit sehr ausgefeilten Filterfunktionen und ansprechender Grafikviele Elemente, wie die Systemsteuerung oder der Herunterfahren-Knopf, sind versteckt und nur schwer zugänglich
Apps können nur im Vollbildmodus genutzt werden (z. B. Internet Explorer, Foto-Galerie,...)
z.T. sehr lange Ladezeiten der instabilen "Mini-Apps" (Wetter, News, Aktien)

Fazit

Nunja, ich weiß nicht für wen Windows 8 gedacht und gemacht ist. Für routiniert-arbeitende Menschen, wie mich, ist das Prinzip nicht klug genug durchdacht. Wenn ich Windows 8 starte, habe ich das Gefühl nicht mehr vor einem Rechner zu sitzen - ich denke vielmehr, ich hätte ein Tablet mit 2x 24 Zoll-Touchscreens. Viele Dinge, die ich sonst binnen weniger Mausklicks bewerkstellige, kosten mich wertvolle Sekunden - "Wo war jetzt noch gleich die Kachel für die PowerShell?". Die Smartphone-Haptik ist sicherlich für viele Menschen leichter zu verwenden, wenn sie ohnehin schon ein entsprechendes Windows Phone-Gerät haben. Ich vermisse hier jedoch schlichtweg einen "Fallback"-Mode für Anwender (wie mich) mit altmodischen Ansprüchen an ein Betriebssystem. Microsoft zieht hier ganz bewusst einen Schlussstrich unter knapp 20 Jahre gleichbleibender Desktop-Geschichte - fragwürdig ist nur, ob dieser Cut für alle Anwender-Parteien hinnehmbar ist. Genau genommen ist das ein Trend, den sämtliche Betriebssysteme mitmachen - Windows ist hier keine Ausnahme. Eine ähnliche Entwicklung ist seit geraumter Zeit bei der beliebten Linux-Distribution Ubuntu zu erkennen - seit 2011 setzt man konsequent auf einen "modernisierten" Desktop mit Tablet-/Smartphone-Haptik, der Benutzer von Netbooks, Tablets und Notebooks ein einheitliches Desktoperlebnis vermitteln soll. Mit der GNOME-Shell, die ebenfalls 2011 im Rahmen der neuen GNOME-Desktop Version 3 eingeführt wurde, wurde dieser Gedanke aufgenommen und weiter interpretiert. Ich für meinen Teil muss sagen, dass ein solcher Desktop für mich nichts mehr mit Produktivität zu tun hat. Offensichtlich war auch ein großer Teil der bisherigen Anwender-Szene der gleichen Meinung - unter anderem Linus Torvalds hat sich sehr kritisch gegenüber GNOME3 geäußert (selbstverständlich in gewohnter Art und Weise ohne Blatt vorm Mund).

Ich hätte mir von Microsoft einfach gewünscht, nicht nur für-Neues-offene Benutzer "abzuholen", sondern auch "alten Hasen" eine Möglichkeite zu bieten, in gewohnter Weise zu arbeiten - ohne Schnick-Schnack, den diese einfach nicht benötigen. Für meine Rechner sehe ich derzeit keinen Grund, um über ein Upgrade auf Windows 8 nachzudenken - auch wenn man die Möglichkeit hat, für lediglich 15 € das neue Betriebssystem zu erwerben (vorausgesetzt, der Notebook-/PC-Hersteller nimmt an diesem Programm teil!).

Die Ungewissheit, wie Microsoft die Entwicklung von Windows fortführen wird bereit mir ein wenig Sorgen. Laut einigen Andeutungen arbeiten die Redmonder bereits an einem Windows 8-Nachfolger, von dem aktuell noch nicht bekannt ist, ob es sich um eine neue Betriebssystem-Version oder um ein größeres Update handelt. Ich hoffe für meinen Teil, dass Microsoft hier einen Fallback-Mode implementiert und den Redesign-Prozess weniger radikal fortführt.